Sebastian Jung
Die Pinguine retten die Welt.

20. Februar bis 5. Juni 2022

Museum Starnberger See

Wie verlockend ist die Aussicht auf Rettung, in einer Zeit, in der die Welt von Krise zu Krise zu treiben scheint. Wie angenehm, nicht wieder einmal zur Rettung aufgerufen zu sein, sondern selbst gerettet zu werden. Mögen sich die Menschen ruhig zwischen Anspannung und Verzweiflung verlieren, die Pinguine bewahren die Haltung. Mit unerschütterlicher Ruhe stehen sie einer zerrissenen und nervösen Menschheit gegenüber. [Weiterlesen … ]


Vorwort

Dennis Eversberg

Unter Bioökonomie können sich wohl die wenigsten bisher Konkretes vorstellen. Wir haben uns als Mentalitätsforscher:innen entschieden, das Thema im Wissenschaftsjahr mit einem Kunstprojekt aufzugreifen, um dem Publikum einen etwas anderen Blickwinkel anzubieten als den sonst üblichen. Kunst kann irritieren, nicht zu unseren Denk- und Fühlgewohnheiten passen, also: unsere Mentalitäten hinterfragen und auf die Probe stellen – und dadurch die richtigen Fragen aufwerfen.

Verstehen wir „Bioökonomie“ provisorisch im Sinne der Definitionen von Bundesregierung oder EU als das Projekt, die gewaltigen Flüsse fossiler Rohstoffe durch die Produktions- und Konsumtionskanäle unserer Gesellschaft in den nächsten Jahrzehnten durch solche biologischen Ursprungs zu ersetzen: Von Bioökonomie in diesem Sinn ist auf den ersten Blick weit und breit nichts zu sehen in Jungs Zeichnungen. Autos hier, Vögel da – nicht aber Laborkittel, Bioraffinerien oder endlose Maisfelder, die für Kundige zum Bildinventar des Themas gehören. Gerade diese Assoziationen aber, die auch der Titel „Bio Bio SUV“ auf den Punkt bringt, spiegeln eine Erfahrung wider, die wir auch als Forschende machen: Mentalitäten bilden sich in und durch Erfahrung und für die meisten Menschen hat ein abstrakter, oftmals technischer Diskurs wie der um die Bioökonomie keine Grundierung in den Erfahrungen ihres Alltags. Die weitreichenden Neuerungen und Veränderungen, die er verspricht, sind bisher hauptsächlich Theorie, Labor- oder Feldexperimente sowie Geschäftsmodelle von Start-ups. Allenfalls im Einzelfall dringen sie in den Alltag ein – als abseitiges Produkt (Insektenburger!) im Kühlregal oder als auffällig ‚vermaiste‘ oder ‚verrapste‘ Landschaft.

Das ‚Bio‘ wird dabei unterschiedlich interpretiert: Bioladen, Biounterricht, Pflanzen, Tiere … Diese Art von kollektiver Deutungsleistung lässt manche Meinungs- und Akzeptanzforscher:innen am Nichtwissen der Bevölkerung verzweifeln. Für uns Mentalitätsforscher:innen aber verweist sie auf etwas, das wir selbst hervorzuheben bemüht sind: Eine Transformation, wie sie die Bioökonomie je nach Sichtweise verspricht oder androht, betrifft den Alltag. Die Bioökonomie kann die Nachhaltigkeitsziele nur einlösen, wenn sie als Teil einer umfassenden Transformation der Art und Weise des Arbeitens und Lebens und der Formen begriffen wird, in denen Gesellschaften über Natur nachdenken, mit ihr umgehen, sie aneignen und nutzen. Bio(-Ökonomie) und SUV – das hat mehr miteinander zu tun, als viele wissen möchten.

Jungs im produktiven Sinne irritierende Arbeit leistet einen Beitrag, die Verengung der Debatte auf technische Machbarkeits- und politische Steuerbarkeitsfragen aufzubrechen und die Rolle bio-basierten Wirtschaftens einzubetten in die notwendige und längst laufende gesellschaftliche Auseinandersetzung um wünschbare, dauerhaft tragbare und mit globaler Gerechtigkeit vereinbare Lebensweisen. Jungs Zeichnungen fangen die Selbstwidersprüche einer Gesellschaft ein, die längst weiß, dass es so nicht weitergeht, die aber gefangen ist in einer Spirale eskalierender Anforderungen und materialreich ausgetragener Konkurrenz. Bio allein wird nicht reichen – auch der SUV muss Thema sein.