Bio-logische-Technologie

Rafaela Hillerbrand

Wissenschaftlichen Prognosen zufolge wird die Weltbevölkerung in den nächsten 10 Jahren auf über 8 Milliarden Menschen, der Bedarf an sauberem Wasser um 40%, an Energie um 50% und an Rohstoffen um über 100% ansteigen. Damit kommt den Anwendungen der Biotechnologien, die einen geringeren Ressourcen-, Wasser- und Energiebedarf versprechen, besondere Bedeutung zu.

Für Biotechnologien werden nicht nur Mikroorganismen und Enzyme, sondern auch Pflanzen als Rohstoffe benötigt. Das verschärft die Konkurrenz um landwirtschaftlich nutzbare Flächen. Allein dieses Beispiel macht deutlich, dass insbesondere bei neuen Technologien und Techniken viele und teilweise gegenläufige Probleme auftreten.

Ein nachhaltigerer Umgang mit unserer Umwelt muss daher am Ende ein Abwägen verschiedener, nicht gewünschter Nebenfolgen umfassen. Eine rein biobasierte Ökonomie, in der wir weder fossile noch radioaktive Materialien gebrauchen, ist, wenn wir Schätzungen trauen, nur bei einem deutlich reduzierten Energieverbrauch möglich. Dieser Fakt als solcher muss Teil der Abwägung sein. Wenn wir uns für die biobasierte Industrie und Energieumwandlung, die auf sogenannte Regenerative setzen, entschieden haben, werden drängende Frage umso akuter: Wie und wofür nutzen wir als Gesellschaft diese Energie und Produkt? Innerhalb welcher Regeln darf sich der Einzelne entscheiden? Ist der Individualverkehr noch tragbar?

Wie derartige Abwägungen ausgehen, hängt in wertepluralen demokratischen Staaten vom gesellschaftlichen Diskurs ab. Aber es bedarf gewisser Mindestvoraussetzungen, um diesen Diskurs um Biotechnologie rational – oder wenn man möchte: logisch – gestalten zu können. Erstens: ein Diskurs über die Wertebasis, mit der man die Folgen bewertet; ein Gleichsetzen von „nachhaltig“ mit „erneuerbar“ oder „biobasiert“ erweist sich als verkürzt. Zweitens: Wissenschaft und Technik, die es noch besser verstehen, Folgen und Nebenfolgen zu thematisieren und mit dem Mangel an quantitativen Vorhersagen umzugehen sowie eine Gesellschaft, die Unsicherheiten als zentralen Bestandteil von Wissenschaft und Technik begreift und akzeptiert, dass völlige Sicherheit nur ein theoretisches Konstrukt ist. Und drittens: das Zugeständnis, dass Irren und Meinungsänderung Bestandteil eines rationalen Diskurses (auch über Technik) sind.


RH ist Professorin für Wissenschaft- und Technikphilosophie am KIT. Sie forscht zu den Themen Nachhaltigkeit und Energie mit einem FOkus auf Risiken und Unsicherheiten im technischen Handeln. Sie leitet die KIT Academy for Responsible Research Teaching and Innovation, ARRTI, und die Forschungsgruppe PhilETAS, Philosophy of Engineering, Technology Assessment, and Science.